BROMOS

 

Seit einiger Zeit haben wir eine neue Putzfrau. Sie taucht mittags zwischen 15.00 und 16.00 Uhr auf. Die alte Putzfrau erkannten wir sofort an ihrem lauten, aber freundlichen Stimmorgan. Die neue spricht fast nie, aber wir riechen, dass sie kommt. Schon lange, bevor sie da ist.

Sie stinkt!

Nach Schweiß, ja, aber nicht nach frischem, von ihrer harten Arbeit erzeugtem Schweiß, nein, ihr Geruch ist alt und abgestanden. Wenn man das Pech hat und in ihre Nähe kommt, nimmt man einen zusätzlichen Duft von billigem Parfum wahr. Soll wohl den Schweißgeruch übertünchen, wirkt aber nur ekelverstärkend. Sie hat immer die gleichen Klamotten an, und ob sie diese ab und zu wäscht, wage ich zu bezweifeln. Ihre Unterwäsche ist wahrscheinlich nur noch operativ zu entfernen.

Seit sie da ist, ist es mein höchstes Tagesziel, mittags zwischen 15.00 und 16.00 Uhr in meinem Büro zu sein.

„Heute nicht saubermachen“ sage ich zu ihr und wehre jeden Eindringversuch ab. Das kostet mich höchstens eine halbe Stunde lüften. Wenn es ihr aber gelingt, ganz ins Büro zu kommen, kann ich Feierabend machen. Dann hilft auch Zigarrerauchen nicht mehr.

Gut, meinen Papierkorb muss ich jetzt ab und zu am Fenster heraus leeren, ich habe mir einen Staubsauger und einen Wischlappen zugelegt. Aber immer noch besser als Gelbsucht.

 

Warum tut das jemand sich und seinen Mitmenschen an?

 

Ich wurde nachdenklich. Habe versucht, etwas an der Oberfläche dieses Stinkephänomens zu kratzen. Und dann kam mir die Erleuchtung:

Der Gestank ist Absicht, Ausdruck eines tiefen Protestes.

Die arme Frau muss ja nicht nur die Büros wischen, saugen und vom Abfall befreien, nein, sie muss auch die Toiletten reinigen.

Toiletten, die von zivilisierten Menschen benutzt werden. Davon mindestens 80% Krawattenträger. Und alle körperlich einigermaßen fit.

Gute Erziehung, gute Kinderstube.

Von den Toiletten müsste man essen können, sollte man meinen, wenn man sich vom Schein täuschen lässt.

Pustekuchen.

Man kommt aus seiner bürolichen Glitzerwelt und taucht ein in das widerlichste Bahnhofskloambiente, das man sich vorstellen kann. Mit der selten benutzen Klobürste könnte man sich bedenkenlos die Zähne putzen. Und einige haben noch nie etwas von Spülung gehört, wahrscheinlich verfügen sie zuhause noch über ein Plumpsklo. Oder einen großen Garten. Wohl dem, der auf die Benutzung dieses Schweinestalls verzichten kann.

Was sind das für Menschen und vor allem, was geschieht nach einer solchen zweifelhaften Nutzung? Was ist mit der Pflege danach?

So genau weiß ich das nicht, habe aber im Laufe der Zeit einen gewissen Eindruck gewonnen. Da ich seit vielen Jahren öffentliche Toiletten benutze(n muss), habe ich aus den 'Beobachtungen im Vorübergehen' ungewollt im Gedächtnis eine kleine Statistik angelegt, die ich hier erstmals niederschreiben will.

Das Folgende bezieht sich auf das kleine Geschäft, das andere möchte ich dem Leser aus ästhetischen Gründen ersparen.

Was passiert nun nach dessen Verrichtung?

 

Das Standardverfahren ist:

- Einpacken
- Hände waschen
- Gehen
Dieses Verfahren wird von ca. 30% der Nutzer praktiziert.

 

Weitere 20% bevorzugen eine Variante mit einem zusätzlichen Feature:

- Einpacken
- Hände waschen
- Haare kämmen (Haupthaare)
- Gehen
Die Reihenfolge der beiden mittleren Verrichtungen erscheint dabei eher zufällig.

 

Die nächsten 20 % wenden ein etwas reduziertes Vorgehen an, das sich auf die Punkte:
- Einpacken
- Haare kämmen
- Gehen
beschränkt.

Wahrscheinlich wird hier durch den innigen Kontakt zwischen Haupthaar und Hand ebenfalls eine reinigende Wirkung derselben erzielt.

 

Die nächste Gruppe (27%) hat nochmals abgekürzt und lässt es bei:
- Einpacken
- Gehen
bewenden.
Ich nehme an, dass Mitglieder dieser Gruppe nachhaltig den Begriff des 'feuchten Händedrucks' geprägt haben.

 

Das Vorgehen der restlichen 3% verbleibt weitgehend im Dunkeln, und es erscheint fraglich ob es lohnt, Phantasie dafür zu verschwenden.

Wenn man nun bedenkt, dass es sich dabei um öffentliche Beobachtungen handelt, möchte ich gar nicht erst wissen, wie es privat so aussieht. Das Lied 'Männer sind Schweine' erhält plötzlich eine ganz neue Bedeutung.

 

Meine einzige Hoffnung ist, dass das weibliche Geschlecht, mit Ausnahme unserer müffelnden Putzfrau, in dieser Beziehung weitgehend auf Gleichberechtigung verzichtet.

 

©   2001  Volker Beilmann